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Wegekreuze im Freiburger Osten 
und im Dreisamtal
 

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Die Artikel sind in der Reihe "Wegekreuze in der Region" in DER DREISAMTÄLER erschienen.
Autor ist Hermann Althaus, Historiker und Studiendirektor i.R. in Kirchzarten, der sich seit längerer Zeit mit der Erfassung von Kleindenkmälern und insbesondere „Kreuzen und Marterln im Dreisamtal" beschäftigt.
Vielen Dank an Herrn Althaus für die Erlaubnis, die so interessanten Beiträge hier zu veröffentlichen.

 

     

 

 

 

7. Ein Unfall am ehemaligen Floßgraben im „Schlempenfeld"

Im Gewann „Schlempenfeld" nahe der Einmündung der Oberrieder Straße auf die neue Umgehungsstraße von Kirchzarten Richtung Oberried steht linker Hand- ziemlich verdeckt zwischen 2 stark wuchernden Lebensbäumen- ein weiteres Kreuz aus Pfaffenweiler Sandstein. Es wird von den alten Einheimischen als „wisses Krüz" (weißes Kreuz) bezeichnet. Es diente neben anderen Kreuzen an dieser Straße als Stationskreuz bei Flurprozessionen oder als Gebetsstätte auf der Wallfahrt zum „wundertätigen Kreuz" nach Oberried.

Das „Wisse Krüz" wurde 1842 von der Familie Winterhalter errichtet, 1947 von der Familie Hermann Maier als Dank für gesunde Heimkehr aus dem 2.Weltkrieg renoviert und 1988 nach dem Zusammenfall durch einen Autounfall von Familie Edwin Maier aus dem Zastlertal wieder errichtet. Auf dem Sockel liest man die schlichten Worte: „Mein Herr und mein Gott", und das lateinische „PAX" soll wohl die Fahrenden und Kommenden begleiten.

Wer weiß aber noch, daß an dieser Stelle durch das Schlempenfeld ehemals ein künstlicher Wassergraben vorbei führte, daß hier -zum Teil über der Erde und in einem gezimmerten Holztrog- kurze Stämme aus dem Zastlertal geflößt wurden, die größtenteils für die Freiburger Karlskaserne und städtischen Haushalte als Brennholz gebraucht wurden. Die etwa 2,5om langen Stämme wurden auf dem Gelände der heutigen Musikhochschule gelandet ( heute noch: „Am Floßgraben") und dort oder am Freiburger „Holzmarkt" versteigert. Die längs des künstlichen Kanals stehenden Flößer hatten zuvor nach starken Regenfällen und Hochwasser in den Flüssen ein in der „Kluse" (oberes Zastler, Kluse: lateinisch: Klause, Klausur, claudere= abschließen) befindliches Stauwehr geöffnet, um den Wasserdruck zu erhöhen, hatten die Bachanlieger aufgefordert, am Floßtag kein Wasser zum Betrieb der vielen Mühlen und Sägen zu entnehmen, brachten längs des Zastler-Baches die eventuell querliegenden Hölzer mit langen Stecken wieder in Fahrt – und gingen nach vollbrachter Tagesarbeit in Freiburg schnell noch in die nächste Gaststätte, die wegen der Tätigkeit ihrer Besucher heute noch „Zum Schiff" heißt.

An der oben bezeichneten Stelle im Schlempenfeld muß eine Brücke über den Floßgraben (?) geführt haben. Dort soll einst eine zu schnelle Pferdekutsche bei der Fahrt über die Brücke umgefallen sein. Es habe dabei einen Toten gegeben. Ob das Kreuz an dieser Stelle deswegen zur Erinnerung aufgerichtet wurde? Sicher aber ist, daß in den letzten Jahren (1987 und 1991) zweimal bei leichtem Glatteis Autofahrer- aus Richtung Oberried kommend- an der scharfen Kurve schleuderten und wie durch ein Wunder von diesem Kreuz aufgehalten und vor Schlimmerem bewahrt wurden. Im ersten Fall war das Auto zerstört und das Kreuz zerbrach in größere Stücke, so daß der Kirchzartener Steinmetzmeister Rudolf Kleiner es aus den alten in der Wiese herumliegenden Teilen flicken konnte. Kaum restauriert schleuderte erneut ein Auto bis vor das Kreuz. In beiden genannten Fällen aber kamen die Fahrer mit dem Schrecken davon.

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Ein altes Wegkreuz von 1842 im „Schlempenfeld" am Ortsausgang nach Oberried , vielleicht aufgestellt nach einem Unfall mit einer Pferdekutsche über den „Floßgraben", rettete bereits zweimal jungen Autofahrern das Leben. Foto: Hermann Althaus

Die Badische Zeitung schrieb damals (3o.Aug.1988) nach der Wiedererrichtung des Kreuzes durch Familie Maier: "Häufig sind historische Denkmäler an Wegen und Bächen, auf Feld und Flur verloren gegangen, die die traditionelle Lebensorientierung der ansässigen Bewohner geprägt haben. Saurer Regen, der die alten Steine vorzeitig verwittern läßt, und Kleindenkmal-Diebstähle durch sogenannte Kunstfreunde tun ein übriges, um die beredten steinernen Zeugen aus unserer Vergangenheit zu dezimieren. Um so erfreulicher ist es, wenn eine traditionsbewußte Familie sich um die Wiederherstellung zerfallender Wegkreuze oder Bildstöcke kümmert". Diesen Worten ist auch heute nichts hinzuzufügen.

Im Zuge des Ausbaus des durchgehenden Radweges von Kirchzarten nach Oberried wurde übrigens das Kreuz durch die Gemeinde Kirchzarten um einige Meter nach hinten versetzt.

     

 

 

8. Gnadenstuhl – was ist das?

Die Dreifaltigkeitssäulen am Weg nach St. Peter. 
In unserer mit Kapellen und Kreuzen als Zeichen christlicher Durchdringung so reich gesegneten Landschaft fällt eine Art von Kleindenkmal besonders auf : die steinernen „Gnadenstühle". Auf dem Weg nach St. Peter gibt es deren drei: Am Scherpeterhof in Eschbach, bei der Einfahrt nach St. Peter (Bäckerei Kreuz) und am Kapfenhof Richtung St.Peter nach St. Märgen.

Ein Gnadenstuhl ? Was ist das? Weder ein Krankenfahrzeug und schon gar nicht ein „elektrischer" Stuhl aus Amerika, gemeint ist auch nicht der Beichtstuhl in der katholischen Kirche.

Martin Luther hat diese Übersetzung aus dem Lateinischen (thronum gratiae) gewählt, um damit ein zentrales Geheimnis des christlichen Glaubens zu verdeutlichen. Ihn und viele andere Theologen und Philosophen, aber auch Maler und Bildhauer beschäftigte nämlich die Frage aller Christen: Wie kann man sich einen Gott vorstellen, der „verschieden" in den Personen und doch „eins" ist im Wesen? Genau dieser Frage stellten sich die Künstler und Steinmetzen, die die hier angesprochenen „Gnadenstühle" oder auch „Dreifaltigkeitssäulen" geschaffen haben.
Während die Maler des frühen Mittelalters mit dem Problem kämpften, ob sie mehr die Verschiedenheit oder mehr die Einheit Gottes darstellen sollten, haben die Steinmetzen Anton Xaver Hauser und Alois Knittel das Problem sehr gut gelöst. Sie betonen die Einheit, indem GottVater, der auf der Erdkugel sitzt, seinen gekreuzigten Sohn im Schoße trägt und der Heilige Geist in Gestalt einer Taube (seit der Rückkehr in die Arche Noah Symbol für den Frieden und die Hoffnung) zwischen beiden in einem einzigen Stein verarbeitet sind. Die Dreiheit wird durch die verschiedenen „Aufgaben" symbolisiert: Erdumspannende Herrschaft, Kreuzestod als Erlösungstat, Aussendung von Liebe und Frieden, doch alles in einem.

Der Gnadenstuhl am Scherpeterhof in Stegen-Eschbach ist 177o von einem Mitglied der im Breisgau bedeutenden Steinmetzfamilie Hauser aus Kirchzarten geschaffen worden. Anton Xaver Hauser ist in der 4. Generation in diesem künstlerischen Beruf tätig. Seine Dreifaltigkeitssäule steht auf einem Sockel, auf dem ein Gebet, aber auch die Stifter genannt werden:

DIE BILDSAVL/ HAT HIE HER / STELEN LASEN/ DER EHRBARE/ PETER HUMEL/ VND SEINI EHFRAV AGATHA HAVERIN/ VND DISES ALES/ ZV GRÖSER EHR/ GODTES VND ZV/ VNSERM SELENHEIL

Der Gnadenstuhl aus Pfaffenweiler Sandstein mußte nach 2oo Jahren (197o) unter Aufsicht des Denkmalamtes restauriert werden und wurde dabei von 4 verschiedenfarbigen Ölschichten befreit. Über den Anlaß der Aufstellung vor langer Zeit darf man spekulieren: Der Bauer Christian Scherer hatte keine Erben und verschenkte den Scherpeter-Hof an das junge Ehepaar Peter Hummel und Agatha Haury. Vielleicht haben die beiden aus Dankbarkeit diese Dreifaltigkeitssäule errichten lassen.

Der Gnadenstuhl bei der Bäckerei Kreuz „am Finkenwerd" in St.Peter, vor dem Geburtshaus des ehemaligen Caritaspräsidenten Dr.B.Kreutz, ist etwa 187o entstanden. Wahrscheinlich hat der Freiburger Bildhauer Alois Knittel ihn geschaffen und dabei Anregungen aus dem weiter unten im Tal stehenden Gnadenstuhl des A.X.Hauser geschöpft. Im Werkverzeichnis von Knittel findet sich der Eintrag im Februar 1868:

für „Kreuz, Müller in St.Peter, GottVater, sitzend, 3 Fuß hoch,11o fl".

Die Verehrung der Heiligen Dreifaltigkeit spielte im Umkreis des Klosters St.Peter offenbar eine große Rolle. Da gab es den Benediktinerpater Benedikt Bayer von Buchholz, von dem das Totenbuch später aussagt, daß er ein „glühender Verehrer der heiligsten Dreifaltigkeit war und ein eifriger Verbreiter dieses Kultes". Vielleicht ist daraus auch zu erklären, daß später in St. Peter, auf dem Kapfenhof, noch einmal ein solcher Gnadenstuhl zu finden ist, eine „seltene Kostbarkeit". Auf dem Sockel findet sich folgende Inschrift :

„Der wahre Christ mit/ Freuden preisst/ Den Vater, Sohn und heilgen Geist./ Ja hochgelobt sei alle/ Zeit/ Die heiligste Dreifaltigkeit.- Dieses Denkmal haben/ errichten lassen/ der Kapfenbauer/ Josef Hummel/ und seine Ehefrau/ Theresia geb. Schwer im Jahre 1874.

Möglicherweise ließ der Kapfenhofbauer auch den Gnadenstuhl errichten, weil er selbst nach langer Krankheit wieder von seinem Hof aus ohne Stock und Krücken zur heutigen „Kapfenkapelle" hinaufgehen konnte,( was man dort oben nachlesen kann!), ein Wunder, das seine gehbehinderte und kranke Frau Theresia sich ebenfalls erhoffte. In einer Zeit ohne Krankenversicherung und versierte Ärzte nahm man eben seine Zuflucht zu den Heiligen und vertraute auf die Güte Gottes.

Es steht uns Heutigen wohl nicht an, dieses Vertrauen und diesen ehrlichen Glauben zu verspotten.

Hermann Althaus, Dreisamtäler, März 2001

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Auch auf dem Kapfenhof bei St. Peter befindet sich ein wertvoller „Gnadenstuhl"(1874). Die Benediktiner des Klosters hatten in ihrer Zeit die Verehrung der Hl. Dreifaltigkeit besonders eifrig empfohlen.

Die Dreifaltigkeitssäule beim Scherpeterhof in Stegen-Eschbach wurde von Anton Xaver Hauser 177o geschaffen . Der Heilige Geist in Form der Taube ruht zwischen GottVater und dem Gekreuzigten. Der Versuch, die Einheit im Wesen Gottes und die Dreiheit in den Personen künstlerisch darzustellen, wird hier auf hervorragende Weise gelöst.

     

 

 

 

9. Herzschlag am Straßenrand: Wangler-Kreuz zwischen Zarten und Ebnet

Möglicherweise war es ein erster heißer Samstag im April. Susanne Wangler von Buchenbach, 54 Jahre alt, war mit ihrem 70jährigen Onkel Fidel Wangler, zeitweilig Bürgermeister der Gemeinde Buchenbach, dem sie den Haushalt führte, weil er ledig war, auf dem Rückweg von Freiburg nach Buchenbach, eine Strecke, die man 1889 noch zu Fuß ging, oder, wie in diesem Fall, mit dem Ochsenkarren zurücklegte. Vielleicht war ein dringender Arztbesuch notwendig gewesen, vielleicht aber hatten die beiden auch einen Korb mit Eiern und ein wenig „Anke", der (!) Butter, auf dem Freiburger Wochenmarkt verkaufen können. Die Phantasie kann noch einiges hinzufügen, Genaueres wissen wir nicht. Jedenfalls muß sie sich an der heutigen B 31 unter einem Baum etwas ausgeruht haben, weil ihr Herz plötzlich so unruhig schlug. Trotz aller unbeholfenen Belebungsversuche stirbt sie an einem Herzversagen auf dem Wagen des Fidel Wangler, der ihr Seelenheil nur Gott anempfehlen kann. Welch ein Schrecken für den hilflosen Mann – seine tote Nichte, die uneheliche Tochter seiner Schwester Magdalena, auf dem Wagen,- sie schien doch völlig gesund! Er kommt heim, mit der toten Frau im Stroh auf dem Wagen. Jeder kannte sie, weil sie es sich „mit kindlicher Freude und Frömmigkeit" zur langjährigen Aufgabe gemacht hatte, „unter Opfern von Zeit und Geld" die Altäre der Kirche in Buchenbach mit Blumen zu zieren. Fidel Wangler setzte ein Kreuz an die Stelle der Straße nach Freiburg, wo er das Unglück erlebte. Er läßt sich die Aufstellung des Mahnmals etwas kosten. Er empfiehlt sich und die Tote der Jungfrau Maria, die am Kreuzesstamm zu ihrem gemarterten Sohn aufblickt. Er läßt links und rechts vom Kreuze -recht dicht- 2 Bäume pflanzen, damit die Kühe, wenn sie sich schaben, das Kreuz nicht umwerfen können. Er läßt folgende Inschrift in den Sockel eingravieren:
Samstag d. 27. April 1889 starb hier auf meinem Fuhrwerk in guter /Gesundheit neben meiner Seite/ eines plötzlichen Todes/ Susanna Wangler v.Buchenbach./ Zum Andenken dessen setzte dieses/ Kreuz zur Ehre des leidenden/ Heilandes Jesu Christe und seiner/ schmerzhaften Mutter Maria/ Fidel Wangler, Hofbauer,/und Altbürgermeister zu Buchenbach. 1889/ Alle, die vorüber gehen/ betrachtet/ doch, wie schnell/ oft das Leben zu Ende geht/. 1889/ H.Mayer fecit.

Eine Mahnung, die über das Jahr 2ooo Bestand hat.

Ein ähnlich tragischer Fall aus jüngerer Zeit verbirgt sich hinter dem weißen Marmor-Kreuz beim Nadlerhof in Oberbirken. Ein kleines Gärtchen mit einem Eisengitter umgibt das immer mit Blumen liebevoll gepflegte Denkmal. Anstelle eines Korpus findet man in der Kreuzmitte in einem Kreis JHS, die Abkürzungsformel für „Jesus, Heiland, Seligmacher". Am unteren Schaftende bemerkt man einen Kelch, der von Weinlaub und Garben umrankt wird. Der Text im breiten Sockel lautet:

„Wer will das Schicksal wohl ergründen, das uns so Schweres auferlegt? Bei Gott allein ist Trost zu finden, er heilt die Wunden, die er schlägt. Errichtet von Familie Wirbser 1959.

Hinter diesem „Schicksal", von dem die Rede ist, verbirgt sich eine menschliche Tragödie: der Nadlerhofbauer überfuhr beim Zurückstoßen mit dem Traktor sein eigenes Kind Albert, das unvorsichtigerweise hinter ihm spielte. Natürlich mußte die Polizei den Unglücksfall auch dahingehend klären, ob eventuell Fahrlässigkeit vorgelegen habe. Da lief die Bäuerin zum nahen „Haldenkreuz" und betete inständig, daß nicht zu allem persönlichen Leid auch noch diese Beschuldigung hinzukäme. Ihr Gebet fand Erhörung, den Mann traf keine Schuld, aber Leid genug blieb in der Familie.

Wieviel persönliches Schicksal verbirgt sich hinter den Kreuzen und Steinen in unserer Landschaft. Aber es ist, gottlob, nicht immer Leid, manchmal auch Dankbarkeit und Freude, die über die Steine zu uns sprechen. Wir sollten das Andenken daran schützen und pflegen!

Blick nach Süden zum Wangler-Kreuz am 24.6.2007 Inschrift am Wangler-Kreuz
Wangler-Kreuz im Jahr 2000. Bild Hermann Althaus Blick nach Süden zum Wangler-Kreuz am 24.6.2007 Inschrift am Wangler-Kreuz
  zwischen Zarten und Ebnet

Ein eindrucksvolles Kreuz an der B 31 erinnert an den plötzlichen Tod der Susanna Wangler aus Buchenbach im April 1889. Die Mahnung auf dem Sockel gilt auch heute noch für alle Autofahrer : „Betrachtet doch, wie schnell oft das Leben zu Ende geht".

     

 

 

10. Ein Zeichen politischen Widerstandes ?

Das Kreuz „am scharfen Eck" in Kirchzarten.

Gewiß wissen selbst die wenigsten Einheimischen, wo in Kirchzarten das „ scharfe Eck" überhaupt ist. -Und das neben dem Gasthaus Hirschen an der Oberrieder Straße stehende Steinkreuz kennt man schon gar nicht. Aber es befindet sich schon seit 1874 neben dem „Hirschenbuckel", allerdings im Sommer von einem schattigen Baum verdeckt und durch ein Gitter am Straßenrand kaum sichtbar. Möglicherweise hat das Kreuz ursprünglich einmal am Tannenwirtshaus beim „Kotterlehof" in Neuhäuser gestanden, denn für das Jahr 1874 ist in den Urkunden für den „Hirschen" in Kirchzarten keine Frau mit dem Namen Zähringer nachzuweisen. Selbst Oskar Hog aus Wagensteig, der die Genealogie von mehr als 5o.ooo (!) Namen, Höfen und Gaststätten im Dreisamtal aus Totenbüchern und Heiratsakten akribisch genau aufgezeichnet hat, kann darüber (noch) keine Auskunft geben.

Das gut 3,8 m hohe Steinkreuz mit dem hängenden Kruzifixus bietet auf dem Schaft noch einen Aufsatz, auf dem einst eine Madonnenfigur ihren zusätzlichen Platz hatte. Der Sockel des Kreuzes ist an den Seiten leicht ornamentiert,. An der Seite liest man kaum sichtbar den Namen der Firma aus Pfaffenweiler (Schuble?), die mit anderen Steinhauer-Werkstätten im ganzen Dreisamtal ihre Arbeiten aus dem gelblichen typischen Pfaffenweiler Sandstein anpriesen.13o Jahre am Straßenrand haben dem Kreuz eine entsprechende Patina aufgelegt. Die Inschrift auf diesem Kreuz von 1874 trägt wohl eine politische Aussage:

Dieses Kreuz/ wurde gestiftet/ zur Ehre Gottes von Wittwe/ Theresia Zähringer geb Wagner(?), Hirschenwirtin in Kirchzarten im Jahr 1874 in einer für die römisch-katholische Kirche bedrängnisvollen Zeit.

Was war 1874 „bedrängnisvoll" für die römisch-katholische Kirche, wie es eine politisch interessierte Frau hier zum Ausdruck bringen will?

Da hatte zum einen das 1. Vatikanische Konzil (187o) stattgefunden, der Kirchenstaat war verloren gegangen, das Dogma von der „Unfehlbarkeit" hatte große Erregung in weiten Kreisen der Bevölkerung ausgelöst, und als Folge davon hatten sich die „Altkatholiken" von der römischen Kirche getrennt. Und zum andern litt man in Baden und ganz Deutschland unter den Auseinandersetzungen zwischen Staat und Kirche, die man mit dem Wort „Kulturkampf" und „Bismarck" umschreibt. Das kirchliche Leben sollte ganz unter die Aufsicht des liberalen Staates gestellt werden. Da wurde vom Staat die verpflichtende Zivilehe vor dem Standesamt eingeführt, verbunden mit der Möglichkeit der bis dahin „unmöglichen" Ehescheidung, die Aufsicht über die Schulen wurde der Kirche entzogen, die Jesuiten waren in Preußen verboten worden, der „Kanzelparagraph" untersagte den Geistlichen bei Androhung von Gefängnisstrafen politische Stellungnahmen und forderte einen Gehorsamseid auf den Staat und anderes mehr.

Theresia Zähringer, die verwitwete Hirschenwirtin anno 1874, hat sich offensichtlich um diese politischen Dinge gekümmert und stand „mitten im Leben"- ungewöhnlich für eine Frau in dieser Zeit. Sie empfindet in ihrer dörflichen Idylle das Tagesgeschehen als „bedrängnisvoll" für ihren Glauben, ist bekümmert über die kritischen Fragen an die katholische Kirche, aber sie setzt dennoch bewußt mit diesem Kreuz ein mutiges Zeichen ihres Widerstandes gegen den neumodischen Zeitgeist.

Ein steinernes Hochkreuz „am scharfen Eck" beim Hirschen in Kirchzarten ist ein religiöses Bekenntnis gegen den liberalen Zeitgeist in der Zeit des „Kulturkampfes".

     

 

 

11. Das 5- Wunden- Kreuz am Ortsausgang nach Oberried lädt zur Meditation ein.

Noch einmal eine andere Art von Steinkreuzen kann man –ebenfalls an der Oberrieder Straße bei der heutigen Zimmerei Fischer kennenlernen. Auch dieser Typus ist im Dreisamtal verbreitet. Die Pfaffenweiler Steinhauer lieferten es mehrfach auch nach Oberried und ins Wagensteigtal als Hof- und Wegkreuz.

Die Rede ist von sogenannten „5-Wunden-Kreuzen". Es mag verwundern, daß auf diesen Kreuzen, deren Balkenenden meist sehr schmuckvoll ausgearbeitet sind, der Korpus fehlt und lediglich die abgeschnittenen Hände, die Füße und das blutende Herz, eben die 5 Wunden des Erlösers, dargestellt werden. Hier und da ist auch noch das leidende Antlitz im Schweißtuch der Veronika zu erkennen.

Die meditative Betrachtung der Wundmale des Gekreuzigten haben ihre Tradition in der Mystik. Religiös besonders begnadete Menschen versuchten in ihrer Frömmigkeit, die Einheit mit Gott schon im jetzigen Leben wenigstens zeitweise voll zu erleben, sie versenkten sich geistig ganz stark in das Leiden des Erlösers, indem sie sich in ihrer Meditation in die wesentlichen Punkte der Schmerzen einfühlen und regelrecht mit-leiden. Hildegard von Bingen, die große Frau des frühen Mittelalters, die sogar mit Kaisern und Königen ihre Gedanken austauschte, war eine solche Mystikerin und hatte bei ihren Betrachtungen Visionen über Gott. Meister Eckart, Joh.Tauler, Heinr.Suso und Angelus Silesius sprechen gar von einem „Absterben für die Welt" bei der Versenkung in Gott. Aus dieser Vorstellungswelt – geborgen sein in Gottes Liebe- entstanden diese „5-Wunden Kreuze."

Das 5-Wunden-Kreuz am Ortsausgang nach Oberried trägt, soweit noch lesbar folgende Inschrift:

ZU EHR/ GOTTES HAT/ TISES CREIZ/ AUFRICHTE/ LASEN JOSEPH/ KUON VOGT/ IN KIRCHZARTEN/ ANNO 1762.

Damit ist dieses Kreuz eines der ältesten Kreuze, die wir in Kirchzarten haben. Josef Kunle/Kuhnli stirbt 3 Jahre später im Alter von 69 Jahren (14.5.1765). Ob er aus der bekannten Familie von Waffenschmieden und Uhrenherstellern entstammt, ist ungesichert. Das von ihm gestiftete Kreuz am Weg nach Oberried dürfte in späteren Jahren als Stationskreuz bei den Flurprozessionen gedient haben.

Interessant bei den verschiedensten Inschriften auf den Sockeln der Kreuze ist oft die Schreibweise, je nach gesprochener Mundart. Den „Duden" gab es ja noch nicht, und man schrieb, wie man sprach. Aber man muß auch davon ausgehen, daß die Männer, die die Inschrift in den Stein meißelten, selbst nicht lesen konnten. So können Endungen manchmal verrutschen oder Buchstaben (N) mit vertauschtem Schrägbalken erscheinen. Immerhin ist die Kunstschrift auf manchen Kreuzen auch heute noch bewundernswert und gut lesbar.

Ein besonderer Typus, ein 5-Wunden-Kreuz, auf die Mystik zurückgehend, findet sich z.B. am Ortsausgang nach Oberried rechts bei der Zimmerei Fischer. Der Kirchzartener Vogt Josef Kuhnle(?) hat es 1762 erstellen lassen.

     

 

 

12. Das wundertätige Kreuz der Wilhelmiten von Oberried

Eines der bekanntesten Kreuze in unserer Landschaft ist für viele Einheimische das wundertätige Kreuz in der Kirche von Oberried, dem ehemaligen Wilhelmitenkloster, zu dem seit dem 17.Jh. bis heute noch Wallfahrten führen. Leo XIII. hat 189o die „Kreuzbrüderschaft" und die Wallfahrt in einem „Breve" bestätigt. Ein besonderer Wallfahrtstag ist das Fest „Kreuzerhöhung" am 14. September.

Die fromme Legende hat um den „schwarzen Heiland" einen Kranz von Geschichten in verschiedenen Lesarten gebreitet. Das Kreuz sei den Rhein „aufwärts" getrieben, ein Bauer habe es gefunden und auf seinen Ochsenkarren geladen, das störrische Tier sei in Oberried stehen geblieben und dort habe man das Kreuz neu aufgestellt.

Eine ebenso bekannte Legende spricht von „nachwachsenden Haaren" am Kopf des Gekreuzigten.

Beide Geschichten sind, wie ein Kenner der Oberrieder Geschichte, Dr. Josef Klaiser bei Kirchenführungen immer wieder betont, leicht erklärbar und enthalten auch einen historischen Kern. Aber ebenso selbstverständlich ist es auch, daß durch diese Legenden, die vom gläubigen Volk immer mehr ausgeschmückt wurden, die Aura des Wundertätigen sich entfaltete, wodurch es zu Wallfahrten kam,- was die Mönche des Klosters mit Sicherheit nicht zu verhindern suchten.

Zur Sache: Die Oberrieder Wilhelmiten entstammten ursprünglich einem Kloster in Hagnau im Elsaß. Schon im 13. Jh waren einige von ihnen in das freigewordene kleine Zisterzienserinnenkloster in das St. Wilhelmer Tal gezogen und nannten es „Mariakron" (1252). Auch ihnen wurde es oben im Tal zu kalt, und sie siedeln 1266 an anderer Stelle neu und errichten ein florierendes Kloster. Erst 1648 nach Ende des 30jährigen Krieges zogen sie ganz nach Oberried, hielten wohl auch den Kontakt zum Freiburger Wilhelmitenkloster, so daß 1682 - auf der Flucht vor den Franzosen - die Freiburger nach Oberried flüchteten. Wahrscheinlich haben diese das Hagnauer Kreuz von dort, „rheinaufwärts", mitgebracht. In Freiburg hatte es bereits seit 1489 eine Wallfahrt zu diesem Kreuz gegeben.

Die Oberrieder Klosterbrüder unterhielten „gut nachbarliche seelsorgerische Beziehungen" zum Frauenkloster Günterstal, das man ja schnell „über den Berg" erreichte. Junge Mädchen, die ins dortige Zisterzienserinnen-Kloster eintraten und dort ihre Lebensaufgabe fanden, wurden damals ihres Haarschmuckes entkleidet. Was lag näher, diese Haare, wenn die alten am Kopf des Gekreuzigten in Oberried verstaubt waren, dem Gekreuzigten wieder anzukleben! Wenn nach 5 oder 1o Jahren ein Pilger dann wieder zur Wallfahrt nach Oberried kam, hatte der Kruzifixus plötzlich längere oder kürzere, womöglich blonde Haare. Daß man das für ein Wunder hielt, ist aus der Sicht dieser Zeit doch verständlich, oder? Jedenfalls war es der Wallfahrt nicht abträglich.

Kreuz in der Oberrieder Klosterkirche

Um das „wundertätige Kreuz" von Oberried ranken sich viele Legenden: sie sind im Kern leicht erklärbar. Die „nachwachsenden Haare" kamen wohl aus dem Frauenkloster Günterstal, das Kreuz aus Hagenau im Elsaß, „rheinaufwärts".

     

 

13. Das T-Kreuz: Zeichen der Antonitermönche

Sowohl die Kreuzritter als auch die verschiedenen christlichen Ordensgemeinschaften versuchten immer wieder, sich durch eine besondere Form des Kreuzes von anderen Gruppen zu unterscheiden. Auch auf den Münzen der Bundesrepublik Deutschland findet sich ja auf der Rückseite immer ein Adler, aber er wird doch jedesmal anders ausgeführt. Ähnlich ist es mit den Kreuzformen.

Heute soll über das sogenannte T-Kreuz (Tau-Kreuz) berichtet werden, das der Orden der Antoniter im Wappen führt. Vor der Giersbergkapelle findet sich eine Kopie des Hl. Antonius, des Einsiedlers, dessen Original Matthias Faller geschaffen hat und das im „Antoniussaal" des katholischen Gemeindehauses in Kirchzarten einen guten Platz gefunden hat. Der Heilige Antonius, der erste Einsiedlermönch in Äegypten ( gest. um 3oo, nicht zu verwechseln mit dem Hl. Antonius von Padua, den man als „Schlampertoni" anruft, wenn man etwas verloren hat!) wird immer mit einem Kreuz dargestellt , das wie eine Krücke aussieht und an dem Glöckchen hängen. Außerdem verbirgt sich hinter seinem weiten Gewand immer ein kleines Ferkelchen, was ihm bei uns den Bei-Namen „Sautoni" oder im Rheinland „Fickeltünnes"( Ferkeltoni) einbrachte.

Hinter diesem Antonius-T-Kreuz mit Glöckchen verbirgt sich eine Tatsache, über die man nur bewundernd staunen kann. Im Mittelalter gab es zwar in Europa noch kein Aids, wohl aber die Lepra, eingeschleppt durch Galeerensträflinge, eine heute noch in Ländern der 3.Welt grassierende Krankheit. Aber es gab auch damals schon Menschen, Ordensleute, die nach dem Wort Christi „was ihr dem Geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr mir getan" diese Menschen trotz deren ansteckender Krankheit versorgten, so wie es Mutter Theresa in unserer Zeit getan hat. Der Orden der Antoniter kümmerte sich speziell um die Leprakranken. Weil diese Leprosen aber andere warnen mußten „-geh mir aus dem Weg, ich könnte dich anstecken"- hatten sie Glöckchen an ihrer Krücke bei sich.

„Und was soll das Schwein am Rockschoß des heiligen Antonius?" Es sind nicht die „schweinisch-sündigen Gedanken", wie man manchmal in alter Interpretation hört, die da symbolisiert werden sollen, nein, dahinter steckt ein konkreter Anlaß: Der Orden der Antoniter hatte das alleinige Recht oder Privileg, seine Schweine im Dorf oder in der Stadt frei laufen zu lassen, damit sie die herumliegenden Abfälle fraßen,- aber vom Erlös dieses Fleisches konnte man die Armen und die Leprakranken, um die sich kein Staat oder eine Krankenkasse kümmerte, ernähren. Deswegen das Schweinchen neben der Kutte des Einsiedlers Antonius.

Und noch etwas, speziell für die Landwirte: Es gab früher einen Pilz im „Mutterkorn" (Kriebelkrankheit, eine epidemisch auftretenden Krankheit mit Krämpfen und Haut„kriebeln",) nach dessen Verzehr im Mehl man starb, eine häufige Todesursache. Und auch, wenn die Schweine den sogenannten „Rotlauf", eine der verheerendsten Infektionskrankheiten, bekamen, dann wußte man kein anderes Hilfsmittel, als den Heiligen Antonius, den mit dem Ferkel und dem T-Kreuz, anzurufen. Der kümmerte sich „bi Gott" um solche Dinge!
Glaube versetzt Berge!- Nennt man das heute einen „placebo-Effekt"?

 

Der Heilige Antonius mit dem T-Kreuz, eine Darstellung von Matthias Faller aus St.Märgen, befindet sich im Antoniussaal des katholischen Gemeindehauses in Kirchzarten, die Kopie auf der Schauseite der Giersbergkapelle. Die Antoniter nahmen sich vor allem der Lepra-Kranken an .Der „Sautoni" finanzierte im Mittelalter die Ernährung der von der Gesellschaft ausgegrenzten Leprakranken.

     

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