Protestfloßfahrt 

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Vom 14.02.97 bis zum 28.2.97 waren 15 FreiburgerInnen auf einem Floss und Fahrrädern auf und neben dem Rhein von Breisach nach Bonn unterwegs, um bei Bundesverkehrsminister Wissmann die Verkehrswende einzufordern und gegen den Bau einer 4- Spurigen Strasse mitten durch Freiburg zu protestieren.
 


Floßtour - Tagebuch


Floß-Tour Tagebuch
BREISACH - WEISSWEIL
1.Tag, 14.Feb. 1997

 Wer sich nicht wehrt - lebt verkehrt!

 Heute morgen allerdings hab' ich mir überlegt, ob das so stimmt. Eigentlich war's ja im Bett so mollig warm, als um 6:00, ferngesteürt von der genaüsten Uhr Deutschlands und so unbarmherzig wie die Bürokratie, mein Wecker seine grausame Pflicht tat. Für mich als enthusiastischen Langschläfer sind Wecker Teufelswerk... Andererseits, um den Freiburger Oberbürgermeister und den Bonner Verkehrsminister zu ärgern, nehme ich fast alles auf mich.

 Draussen war die Nacht noch so Rabenschwarz, wie Nieselregennächte nur sein können, als ich mit dem Fahrrad unterwegs zum Freiburger Greenpeace Büro war, dort - inzwischen im Morgengraün - herrschte geschäftige Betriebsamkeit.

 Verrückter gehts kaum. Ihr erinnert euch: Ende Oktober wurde mitten in Freiburg ein uralter Park aus knorrigen Eichen plattgeholzt, um der neuen B31, einer vierspurigen autobahnähnlichen Bundesstrasse Platz zu machen.

 Wir waren damals vor Ort und haben 10 Tage lang den Park mit einem Baumhüttendorf besetzt, bis letztendlich über 1000 Polizisten mit schwerem Gerät dafür sorgten, dass Baumfäller Fakten schaffen konnten. Seitdem findet jeden Dienstag 18:00 in Freiburg eine Demo zum Ex- Park statt. Aber da die wahren Verantwortlichen in Bonn sitzen haben wir beschlossen, mit einem Floss und vielen Fahrrädern zum Bundes- verkehrsminister zu fahren. Und heute ging's los!

 Zurück zur geschäftigen Betriebsamkeit. Material wurde in den Bus nach Breisach am Rhein verladen, letzter Chek - ist alles da? wieviele Tandems haben wir? Wer hat verpennt? ...

 Dann in Breisach - die Presse wartet schon, Reden werden gehalten, Roman, der Initiator der Tour, spricht davon, dass wir mit dieser Aktion auch den Menschen Mut zum Wiederstand einflössen wollen. Stimmt schon, viele Freiburger sehen die Chancen auf Erfolg schwinden, der Wiederstand bröckelt. Aber - wer sich nicht wehrt hat schon verloren - denke ich mir, es geht auch darum zu zeigen, dass wir nicht alles fressen, was uns auf's Brot geschmiert wird. Chrischdian setzt sich eine selbstgebastelte Maske auf, die den Freiburger Oberbürgermeister Böhme darstellt, dann hält er eine genauso energische wie dumpfsinnige Rede, wünscht uns viel Erfolg. Alles grölt vor Lachen. Dann die Taufe. Das Floss soll Espereanza - Hoffnung - heissen. Roman spritzt Sekt über den Rumpf und die 5 Quadratmeter Transparent. Schade, ich hätt' ihn lieber getrunken.

 8 Leute in Schwimmwesten klettern auf das schaukelnde Floss, greifen sich Paddel, schlingern vom Ufer weg. Wir anderen an Land applaudieren, Jubel schallt zurück, die Fernsehkameras surren, Blitzlichtgewitter. Das Floss verschwindet um eine Biegung und die Pressefuzzies rennen aufgeregt auf dem Damm hinterher. Wir kümmern uns um unsere Fahrräder, verstaün Gepäck in den Fahrradanhängern, machen alles wasserfest und verabschieden uns von den Freunden und Bekannten, die zuhause bleiben. Wir lassen uns Zeit, wir sind sowieso viel schneller als die auf dem "Wasserkleinfahrzeug". So mussten wir das Floss offiziell nennen, um uns Berge von Auflagen zu ersparen.

 Langsam setzt sich unser schwerbeladener Zug in Bewegung. So ein Tandem mit Fahrradhänger dran ist ganz schön lang. Die Autofahrer gaffen uns an wie Autofahrer halt so gaffen, wenn sie 'was nicht checken. Schnell kommt Stimmung auf. Die Sonne zeigt sich ein bisschen, wir sind unterwegs, der Wind pfeift uns um die Ohren, wir pfeiffen zurück, ab auf den Rheinuferdamm und immer geradeaus. An der ersten Schleusse holen wir das Floss ein. Jetz will Toni aber mal auch auf's Floss, dafür kommt Holger auf's Fahrrad. Das Floss kommt schneller voran als geplant, wir beschliessen, die erste Etappe etwas zu verlängern, damit's morgen nicht so stressig wird. Kaum sind wir wieder unterwegs, bricht bei meinem Hänger die Achse. Zwangspause. Ich baü das Rad aus und fahre ins nächste Dorf, Wyhl, ein Symbol für erfolgreichen Bürgerprotest aus der Atomsteinzeit. Mit dem Fahrradmechaniker im Ort kommt schnell Fachsimpelei über Sinn und Unsinn von Wiederstand auf, während er mir eine neü Achse einbaut. Im Radio kommt ein Bericht über uns. In Wyhl ist jeder Einwohner Wiederstandskämpfer. Leider nur gegen Atomkraftwerke. Aber er hat uns trotzdem viel Erfolg gewünscht.

 Als wir das Floss wieder eingeholt haben, beenden wir die heutige Etappe. Alle sind kaputt und hungrig und fallen wie die Heuschrecken über die paar Brote und den Käse her, die ich aus Wyhl mitgebracht habe. Das Gepäck verstaün wir bei Anwohnern, die Nacht verbringen wir bei Axel, der in der Nähe wohnt. Ich bin gespannt auf morgen, ob ich besser aus dem Schlafsack komme, ob langsam Routine einkehrt.

 Gute Nacht.

 Der Stefan A.

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Floß-Tour Tagebuch
WEISSWEIL - MEISSENHEIM
2.Tag, 15.Feb. 1997

 Heute morgen sechs Uhr aufstehen und los aufs Rad. Die Anderen sind gestern bereits gestartet. Durch einen furiosen Schneesturm - hoffentlich des Winters letztes trotziges Aufbäumen - zum Bahnhof und dann mit Zug und Bus nach Sasbach. In Sasbach werde ich von Michel mit dem Tandem abgeholt, der sich beschwert, da die Koordination der Neuankömmlinge nicht so ganz funktioniert. Meine Schuhe sind bereits naß, was durch den strömenden Regen nicht besser wird. Das Floß ist seit geraumer Zeit unterwegs und die anderen Radler sind einkaufen. Ich bin gespannt, wie das Floß aussieht und wie es sich fährt.

Wir müssen auf die anderen Radler warten und gehen derweil in eine Kneipe - heiße Schokolade für alle Nassen. Wir warten und warten. Der Wirt fragt, auf wen und weshalb. Wir erzählen ihm, da wir unterwegs nach Bonn sind auf dem Rhein. Ja, meint er, er habe es gelesen in der BZ. Wir scheinen bekannt zu werden. Heute morgen kommentierte ein Jogger unser JA auf seine Frage, ob wir die aus dem Radio seien, mit einem erhobenen Daumen.

Der Wirt bietet uns seine Handfunkgeräte an, weil unsere nicht mehr funktionieren.

Als wir dann endlich vollständig sind, radeln wir zum Treffpunkt - Landratte meets Paddelfreak. Es ist eine ziemliche Schinderei, die Hänger sind zu schwer und zwei Tandems laufen mit nur einem Fahrer.

Treffpunkt Rheinfähre Kappel - kein Floß in Sicht. Das wurde in der letzten Schleuse aufgehalten. Außerdem war der Wettergott im Kanal von Weißweil bis Ottenheim nicht gnädig; Gegenwind. "Wir mußten traideln, das Floß vom Land aus ziehen. Uns hat es rückwärts den Rhein hochgeblasen, sobald wir aufhörten zu paddeln," so die überglücklichen Paddelschwinger beim Landgang zum Lunch und zur Ablöse.

Teamwechsel bei Kappel. Sieben Radler aufs Floß.

 Wir kommen gut voran. Sechs km/h - ganz schön schnell. Aber inzwischen sind wir wieder aus dem Kanal und können die Strömung nutzen. Immer wieder werden wir von Spaziergängern auf dem Deich gefragt, was wir vorhaben. Autos hupen leider nur. Wir haben unser "Keine Autobahn" Blau-Weiß-Rot Banner gehißt.

 Dann kurz vor der letzten Schleuse fahren wir direkt in das Unwetter, das wir quasi lange schon kommen sahen. Eisregen und Wind für 15 Minuten - dann ist alles vorüber. Ein vorbeifahrernder Autofahrer kurbelt die Scheibe runter und bietet uns eine Flasche Wein an. Er hat in der Lahrer Zeitung über uns gelesen und wünscht uns viel Glück.

 Rot an der Schleuse, warten und Wein trinken. Inzwischen habe ich das Steuerruder übernommen und bringe uns durch die Schleuse. Der Schleusenwärter fragt uns, wo wir solange gesteckt hätten - er habe bereits einen Anruf der Wasser- und Schiffahrtsamtes erhalten. Sie würden sich Sorgen machen. Es dämmert, als wir in die Schleuse einfahren. Als wir wieder rausfahren ist es dunkel. Schleusen ist ein Erlebnis. Reinfahren, vertauen, das Riesentor schließt sich, dann wird das Wasser abgelassen. Ziemlich schnell finden wir uns ca. 10m tiefer wieder, sehr viel aus der Froschperspektive, die wir auf dem Floß haben. Weil ein Wasserfahrzeug im Dunkeln Licht braucht befestigen wir vorne und hinten je eine Taschenlampe und paddeln die letzten 3 km. "Pull" "Gib Stoff" - die Stimmung ist gut.

Am Ufer werden wir bereits erwartet von der Radcrew. Der Anlegeplatz zwingt uns zu einem riskanten Einparkmanöver.

Geschafft, noch 3 km laufen oder Fahrradhänger fahren bis zum Schlafplatz. Mittlerweile sind alle warm, satt zufrieden und müde.

Kirsha
 

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Floß-Tour Tagebuch
MEISSENHEIM - KEHL
3.Tag, 16.Feb. 1997

 Nach unserer Übernachtung - wieder in einem edlen Fachwerkhaus - gings am nächsten Morgen wieder früh los. Nach der hin und her Packerei - unser Schlafplatz lag ca. 3km vom Rhein entfernt - ging's für die Floßfahrer um 9.30 Uhr los. Im Gegensatz zu den ersten beiden Tagen hatten wir strahlenden Sonnenschein, bei Sonnenaufgang um 7.30 Uhr, -1 Grad Celcius. Meine Stimmung bei der morgendlichen Wanderung zwischen Schlaf- und Anlegeplatz schwankt zwischen Euphorie und Sorge. Die Euphorie gründet sich auf den bisher reibungslosen Verlauf der Tour und die friedliche Stimmung, die hier in den Rheinauen an diesem Morgen herrscht. Nebelschwaden stauen sich an den locker verteilten Gehölzen. Eine halbe Stunde später sind sie durch die schon kräftige Februarsonne hinweggeschmolzen. Sorgen macht mir das ausufernde Kieswerk - immer mehr wertvoller Auenwald wird abgeholzt, um noch mehr Baustoffe für noch mehr Asphalt und Beton zu gewinnen! Auch der Rhein selbst ist für mich ein Bild des Jammers - ein kanalisierter, kultivierter Fluß, eingesperrt zwischen zwei Hochwasserdeichen.

Zurück zur Tour: Durch das schöne Wetter beflügelt läuft es auf dem Floß sehr gut. Wir kommen mit etwa 7 km/h voran, und nach einer Stunde wird die Crew das erste Mal ausgewechselt.

Wir haben noch etwa 15 km vor uns, die zur reinen Vergnügungsfahrt werden. In Kehl an der Rheinpromenade entlang fahren die Radler 1 km parallel mit dem Floß, so daß die Sonntagsspaziergänger gar nicht mehr wissen wo sie hinschauen können. Zwei Kilometer flußabwärts fahren die Flößer in ein Kehler Hafenbecken, drehen eine Ehrenrunde, machen dann an einem ehemals französischem Kai fest. Unsere Übernachtungsgelegenheit ist diesesmal weniger feudal. Zwei Jungs von der ExBund-Jugend Kehl holen uns im Hafen ab, und wir fahren noch etwa vier Kilometer durch Kehl, um uns im Keller einer Sonderschule, im Gruppenraum der ExBu-Ju einzurichten. Die Leute haben für uns gekocht - super leckere Bratlinge und Reiseintopf. Wir sitzen noch bis 22.00 Uhr zusammen und erzählen. Dann kriechen einige schon in ihre Schlafsäcke - morgen gehts um 6.30 Uhr weiter - nach Baden-Baden.

 Chrischdian
 

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Floß-Tour Tagebuch
KEHL - IFFEZHEIM
4.Tag, 17.Feb. 1997

Heute ging so ziemlich alles schief, was schief gehen kann, unter anderem auch, daß niemand Tagebuch geschrieben hat...

Hier doch noch einige Zeilen aus dem Gedächnis:

Als Neuzusteiger kamen wir heute Morgen in Kehl an und wollten zwei Fahrräder mit Anhängern übernehmen. Doch wir hatten die Stadt noch nicht verlassen um zu den anderen aufzuschließen, da gab es schon die ersten Problem. Ein Pedal des Tandems dreht durch, da der Haltebolzen sich gelockert hatte. Kein Problem wir haben ja Werkzeug dabei. Die Schnellreparatur hielt ziehmlich genau bis zum nächsten Häuserblock. Das ganz wiederholte sich dann noch dreimal, bis wir einsahen das wir uns doch besser nach einer Fahrradwerkstatt umsehen sollten. Lange Aktion, wenig Nutzen; Auch die 'proffesionelle' Hilfe hielt nur 5 Minuten länger. Was tun ?
Das Tandem muß ersteinmal aufgegeben werden und alles Material umgeladen werden. Na dann viel Spaß ...

Am Abend kamen wir in unserem Nachquartier beim Ruderklub Rastatt an. Die ersten Radfahrer waren schon da, und das Floß sollte auch bald das Tagesziel erreichen. Allein ein Radfahrer war verschollen ! Das letzte Lebenszeichen kam telefonisch aus Hügelseheim, einem kleinen Dorf etwa 17 km entfernt. Als machten wir uns mit dem intakten Tandem auf die Suche. Nichts! Also wieder zurück. Was war wohl geschehen ? Nach einem überaus anstrengenden Tag und abgeschnitten von jeglicher Kommunikation hat sich der einsame Radler für die Nacht in eine Grillhütte zurückgezogen. Am nächsten Morgen sollte alle wieder gemeinsam aufbrechen.

Wer den besseren Übernachtungsplatz hatte ist fraglich. Im luxuriösen Anwesen des Ruderklubs wurde uns eine feuchte Garage als Übernachtungsplatz zugewiesen. Da zogen wir es dann doch vor unsere Isomatten und Schlafsäcke in den ebenfalls zugänglichen Duschräumen auszurollen. Habt ihr schon einmal in einem rundum weiss gekachelten Duschraum übernachtet ? Nichts versäumt sag ich euch !

martin
 

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Floß-Tour Tagebuch
IFFEZHEIM - KARLSRUHE
5.Tag, 18.Feb. 1997

 Nach einer kurzen Nacht in den sterilen Duschräumen des Ruderclubs Rastatt bzw. für die die es nur nach Hügelsheim geschafft haben, in der dortigen Grillhütte ordneten alle schon in den frühen Morgenstunden ihre Knochen. Von der Schleusse in Iffezheim ging es dann mit Riesenschritten Flußabwärts. Der Wind und die Strömung taten das ihre um unser Anliegen zu unterstützen.

Die Wasserschutzpolizei erwartet uns schon und kündigte an heute an unserer Seite zu bleiben, da die Etappe besonders gefährlich sei. Also fahren und paddeln wir einträchtig nebeneinander her. Vom Fluß aus betrachtet ist die Landschaft nicht gerade aufregend, und die interessanten Rheinauenwälder sind hinter dem Uferdamm allenfalls zu erahnen. Wer schon einmal mit einem Schlauchboot oder einem ähnlichem Gefährt einen Ausflug in einen der Altrheinarme und die unzähligen kleinen Wasserwege gemacht hat weiß um Schönheit dieser Landschaft und die Vielfallt der Tier- und Pflanzenwelt.

 Hier auf dem Strom kommen wir uns allerdings mehr wie auf einer "Schiffbahn" vor, es herrscht Hochbetrieb, vor uns und hinter uns, Rhein auf und Rhein ab. Ein Pott nach dem anderen. Kiesfrachter, Tanker, Stückguttransporter u.s.w. , und wir mit der Esperanza mittendrin. Wir pullen rechts, wir pullen links. Die Schiffer grüßen uns freundlich und die Polizei hat ein wachsames Auge auf uns und gibt uns noch einige Hinweise, wenn z.B. ein Kiesbagger besonders weit in der Fahrrinne steht.

 Anfangs halten wir uns noch mehr in Ufernähe ausserhalb der Fahrrinne. Dies sollte sich bald als folgenschwerer Fehler entpuppen. Wohl um die Flußgeschwindigkeit abzubremsen sind in unregelmässigen Abständen quer zum Fluß Steinwälle aufgeschüttet. Sie reichen bis knapp unter die Wasseroberfläche. Wie knapp merken wir als wir daran entlang schrammen. Obwohl wir mit unserem Floß sicher keinen gro&szligen Tiefgang haben, genügt es um zwei, dreimal auf Grund zu laufen. Da hilft auch ein Ausguck am Bug unseres Kleinwasserfahrzeuges nichts. So gehts nicht weiter. Wir orientieren uns Richtung Flu&szligmitte und bewegen uns fortan in der Fahrrinne weiter. Das hat neben der verschwundenen Gefahr des auf Grundlaufens auch den Vorteil, daß hier die Strömung grö&szliger ist.

Doch zu spät. Das Floß scheint sich langsam zur Seite zu neigen. Die Befürchtungen, das einer der beiden tragenden Schläuche Luft verliert wird schnell zur Gewissheit. Wir legen uns in die nicht vorhanden Riemen, um möglichst noch die Einfahrt zum Goldkanal zu erreichen. Dort haben wir uns mit den Fahrradfahrern/innen verabredet um Gepäck an Bord zu nehmen. Da gäbe es auch eine ideale Landungsmöglichkeit zum Reparieren des Schlauches. Die Einfahrt des Kanals ist bal d erreicht. Wir ziehen das Floß in den Kanal. Die Landungsstelle ist sicher noch einen Kilometer weiter kanalaufwärts in den sich bald seeartig verbreiterten Goldkanal gelegen.

Doch der stürmisch auffrischende Wind und die nun gegen uns gerichtete Strömung machen jeden Versuch dagegen anzupaddeln oder zu ziehen zur Illusion. Schon gegen diese vergleichsweisen kleinen Naturkräfte sind wir kleine Menschen machtlos. Die Köpfe laufen heiß. Was tun? Da liegt immer noch das weiß-blaue Patrolienboot in der Nähe. Unsere Notlage ist offensichtlich und wir kommen diesesmal mit unserem 'Freund und Helfer' überein, daß sie uns das kurze Stück in Schlepp nehmen. Die beiden Beamten sind freundlich und wie es scheint für die Abwechslung in ihrem Alltag dankbar. Sie erzählen so manches wissenswerte über die Schifffahrt auf dem Rhein.

 Am Ziel wird in strömendeM Regen schnell alles Gepäck vom Floß geholt und der Schlauch gewechselt. Die Freunde am Ufer hatten noch eine kleine Extra Überraschung für mich: Einen kleinen Geburtstagskuchen zu selbigem.

Und schon gehts weiter. Diesmal mit der Strömung und mit dem Wind! Wir hissen ein Segel. Naja eigentlich ein Banner, aber die Wirkung ist phantastisch. Der Wind zieht uns durchs Wasser! Und da geht alles viel einfacher, wir können zwischendurch das Paddeln sogar ganz sein lassen.

 Das Wetter wechselt nun zwischen dunklen Wolken mit Regen bis zu vereinzelten blauen Wolkenlücken mit strahlendem Sonnenschein. Der stürmische Wind ist fast immer gegenwärtig, auch wenn wir ihn während der Fahrt weit weniger bemerken, als während einer Pause.

 Zwischendurch werden auf dem Floß die Seiten gewechselt und inzwischen ist Roman am Steuer. Die Fahrrinne ist durch farbige Bojen markiert. Kurz vor uns taucht wieder eine solche Boje auf. Da die Vornesitzenden meiß:t den besseren Überblick haben als der hinten sitzende Steuermann gebe ich nach hinten weiter : "Da kommt eine Boje. Siehst du die, Roman?" "Ja die sehe ich!" Gut denke ich, allein warum halten wir schnurstraks und so zielgenau, wie wir es nie könnten wenn wirs wollten, darauf zu ? Zu Spät für Fragen! Alles geht sehr schnell und dauert doch eine Ewigkeit ...

 Glücklich erreichen wir eine nahegelegene Landungsstelle. Wie war das mit dem blauen Auge und davongekommen ?

In der Ferne blinkt in der Sonne schon die Rheinbrücke von Karlsruhe. Unsere heutiges Etappenziel muß kurz hinter der Brücke liegen. Als wir anlanden frägt uns ein Passant : "Sin Sie net die mit dem Floß nach Bonn? Ich hab von Ihne im Radio ghört, gell!". Das ist kein Einzelfall. Fast überall wo wir hinkommen wissen die Menschen schon von uns und unserer Tour.

 Das heutige Ziel ist der Jachthafen von Karlsruhe. Der Pächter der Gaststätte steht uns mit Rat und Tat zur Seite. Bei ihm können wir über Nacht auch unser Material deponieren. Die Radler treffen auch bald ein, obwohl Berni heute eine sehr gute Abkürzung kannte, die den Tross nach geraumer Zeit wieder zum Ausgangspunkt zurückführte! Bei einem warmen Kaffee oder Tee werden die Ereignisse des Tages ausgetauscht, ein Radiointerview geführt und das weitere Vorgehen geplant. Freunde aus Karlsruhe haben uns eine fast leerstehende Wohnung als Übernachtungsdomizil besorgt. Schnell ist in einem der Zimmer eine Leine gespannt für unsere nassen Klamotten. In der Küche wird gekocht, während andere schon erschöpft flachliegen und wieder andere sich eine warme Dusche gönnen. Es stoßen neue Leute von daheim dazu, die ab morgen mitfahren. Freunde aus Karlsruhe schauen vorbei und erkundigen sich über unser Wohlergehen. Obwohl wir alle wieder erschöpft sind, sitzen wir noch geraume Zeit beisammen. Ann-Kathrin und Stefan spielen Gitarre, es wird gesungen, diskutiert, dieses Tagebuch in den Schlepptop getippt (zumindest den Anfang, dann war der Wein und der Gesang doch interessanter), Geschichten erzählt und es ist einfach nur schön. Sobald ich die Augen schließe spüre ich wieder das schwanken des Flo&szliges auf dem Wasser und werde sanft in das Reich der Täume gewiegt.

Martin

 Ich träume von leiser sanfter Musik. Doch ich träume nicht. Ann-Kathrin geht mit ihrer Gitarre von Zimmer zu Zimmer. Die Nacht ist schon wieder vorbei! Wer wird heute, im Zeitalter der Funkweckuhr (siehe 1. Tag) schon so schön, ja fast zärtlich geweckt ?

Doch da geh ich jetzt zu weit. Das gehört ja schon zum nächsten Tag !

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Floß-Tour Tagebuch
KARLSRUHE - RHEINSHEIM
6.Tag, 19.Feb. 1997

 Wir sitzen gemütlich in einem Rudervereinsheim und lauschen der Musik, die Katja mit der Gitarre spielt. Zum Teil handeln die Lieder von Widerstand gegen den Bau der B31 und geben neuen Mut, nachdem wir am Morgen erfahren mußten, daß all die Bäume in der Schützenallee heute gefällt wurden. Und Motivation brauchten wir, denn eine Pressekonferenz zum Thema "Private Vorfinanzierung von Straßenbauprojekten" stand an: Leider waren sehr wenig Journalisten da, denn - wie wir später erfuhren - fand zur gleichen Zeit eine Mediziner-Demo statt. Ein netter Journalist der BZ wollte noch ein Weilchen auf dem Floß mitfahren.

Also ging es los. Nach einem gekonnten Manöver landeten wir in einer nahegelegenen Bucht um einige kleine Reparaturen am Floß durchzuführen. Der Journalist hatte, wie er selbst meinte, Journalisten-Glück - er erlebte live mit, wie ein Ponton platzte. Warum ist uns jetzt noch nicht so ganz klar, aber leider sind die Gründe in so einem Fall nicht so wichtig, sondern jetzt war Handeln gefragt. Schnell das zweite Ventil entfernen, damit nicht noch mehr kaputt geht, dann die Kiste unter das Floß um es aufzubocken. Jetzt konnten wir wieder etwas geruhsamer an die Arbeit gehen, wir setzten den letzten verbleibenden Ersatzponton ein und nach einer halben Stunde steuerten wir schon wieder auf dem Rhein. Dort war es dann sehr gemütlich, denn der Himmel war blau und der Südwind angenehm. Wir machten 12km/h Fahrt ohne auch nur ein Paddel zu bewegen, was wir dann auch gleich ausnutzen.

 Am Abend landeten wir an einer Treppe, die ungefähr da sein mußte, wo wir unser Nachtquartier aufschlagen wollten. Ein hilfsbereiter Polizist nahm Roman mit, um das Vereinsheim zu suchen und kam nach 30 Sekunden wieder zurück, denn wir waren genau vor der Haustüre gelandet. Und um den Zufall perfekt zu machen kam auch gleich die Fahrradcrew an.

Nach dem leckeren Abendessen sind wir alle ziemlich müde und hoffen nur noch, daß es morgen wieder so schönes Wetter geben wird wie heute.

 Berni

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Floß-Tour Tagebuch
RHEINSHEIM - MANNHEIM
7.Tag, 20.Feb. 1997

 Donnerstag - aber von Donner keine Spur. Allerschönster Sonnenschein stattdessen. Nach dem Frühstück und der üblichen Putzaktion also alles Gepäck wieder zum Floß runter. Das Solarpannel gut vertäuen und alles andere, was über Bord gehen könnte ebenfalls. Da wir zuwenig Leute sind, nehmen wir ein Fahrrad mit aufs Floß, das wir aufrecht stehend festbinden. Ein rotes Fahrrad, das blaue Antiautobahnbanner als Spinnakersegel, ein blitzendes Solarpannel - das Floß geht zu Wasser, wir drauf und lospaddeln. Mit den guten Wünschen der Wasserpolizei, die uns höchstpersönlich verabschiedet mit zwei Mann starker Truppe, und genügend Rückenwind gehts ziemlich flott los. Einigen mißfällt der Ausdruck "Bullen" für die Polizei, wir nennen die Wasserpolizisten seitdem liebevoll "Wasserbüffel".

 Am AKW Philippsburg kommen uns deren Kollegen entgegen; blauweiße "Wasserbüffel" auf einem Boot. Haben die etwa Angst???

 Der Wachschutz vom AKW winkt fröhlich rüber, als wir mit 12 km/h und demonstrativ erhobenem Solarpannel am Ufer vorbeirauschen. Yeah wir haben die Kühltürme verschont. Kühltürme im Nebel - neben den kahlen Bäumen eine imposante Kulisse.

 Heute morgen sind unsere Ersatzluftkissen angekommen; unsere Mannschafts T-shirts ebenfalls.

Wir haben mächtig Strömung und mit der Zeit heftigen Seitenwind. Es ist einigermaßen schwierig zu steuern, besonders, wenn uns vollgeladene und deshalb tief im Wasser liegende Pötte mit voller Kraft entgegenkommen. Das macht dann imme r besonders viel Spaß, grenzt schon fast an Wellenreiten. Eigentlich müßten wir auch an der "Blauen Seite" (die Seite, an der die blauer Flagge heraushängt) der flußaufwärts fahrenden Pötte vorbei, aber wir sind so klein, daß wir nur auf die Bojen achten (was auch nicht immer einfach ist.) Rote Boje rechts - grüne links oder wie war das?

 Und dann auch noch Meuterei und Arbeitsverweigerung am Paddel. Nichtsdestotrotz üben wir jedoch Manöver: Rhein überqueren, Pfeiler Nr.7 anvisieren, Nr.8 treffen, einmal im Kreis um die Boje, wenden und wieder zurück.

 Kurz vor Speyer und beim Anlegen wirds nochmal haarig; knapp in der Strömung anzudocken.

 Mittagspause und auf die Radler warten. In der Zeit geben wir noch ein Radioninterview und liegen faul in der Sonne.

 Nachmittags - bis Mannheim - sind wir die Radcrew. Rückenwind, Wettrennen (wie in Rom - Pferd und Wagen, Rad und Hänger und beim Überholen ist alles erlaubt). Vier Räder und ein Tandem, drei Hänger und fünf RadlerInnen und da nn die große Enttäuschung: die von uns angepeilte Fähre verkehrt nicht. Also wieder zurückfahren - mit Gegenwind. Durch die Rheinauen, auf dem Rheindamm entlang. Leider sehen wir den Rhein die meiste Zeit nicht. Dafür um so mehr freundliche SpaziergängerInnen. Überhaupt werden wir überall mit Neugierde, Wohlwollen, und oft Bewunderung empfangen. Ab morgen werden wir auch eine Art Infostand mit Fotos und anderem Material haben. Unsere Öffentlichkeitsarbeit läßt leider zu wünschen übrig und schließlich wollen wir die Flaschenpost (Wünsche für eine zeitgemäße Verkehrspolitik in einer Riesenflasche) für Wissmann doch möglichst umfangreich überreichen.

 Wir sind viel zu früh am Rudervereinsheim angelangt, entladen das Floß und stürzen uns bis zu den Ellbogen mindestens in den Kuchenberg. Freundlicher Empfang, gutes Essen, das wir nicht selbstkochen müssen, ein wenig Tischtennis und Rudermaschinenreiten, Doppelkopfspielen, Plenum, Einteilung für morgen.

 So - bin zu müde. Gute Nacht.

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Floß-Tour Tagebuch
MANNHEIM - RHEINDÜRKHEIM
8.Tag, 21.Feb. 1997

 Der Kaffeegeruch weckt mich. Als ich das rechte Augenlid vorsichtig halb öffne, bleibt mein Blick am Fenster hängen. Der Morgen ist wolkenverhangen und verheißt nichts Gutes. Aber es hilft alles nichts. Nach einem Liter Kaffee geht auch das linke Augenlid auf.

Vor uns stand ein neuer Tag voller Wunder und Rätsel. Er sollte einige Stunden Rad- und Floßfahrt durch die heimliche Ökohauptstadt Deutschlands Mannheim mit vorbildlichem Radwegenetz und hervorragend duftender Luft bringen.

Der Ärger begann schon vor der Fahrt. Wir beladen die Fahrradanhänger, und als ich losfahre bricht die Deichsel. Ich flicke die Bruchstelle provisorisch mit Tape und fahre mit dem Hänger durch das ganze Hafengebiet ohne jemanden zu finden, der mir die Deichsel schweißt. Seitdem kenne ich eine Geisterfirma: Das Hoftor steht offen, der Pförtner nicht zu finden, ich gehe in die Werkstatt... alles wie ausgestorben. Werkzeug und Maschinen für -zig Millionen stehen einfach so rum, aber ich traue mich dann doch nicht, mich einfach über die Schweißmaschine herzumachen. Letztendlich finde ich die Zentralwerkstatt der Wasserbüffel (Siehe gestriges Tagebuch) und einer der "Dein Freund und Helfer" Truppe repariert endlich meine Deichsel. Find ich absolut nett, der Staat hilft dem Widerstand gegen seine eigenen Projekte.

 Mit einer Stunde Verspätung treten wir die Fahrt durch das schöne fahrradfreundliche Mannheim an. (Christopher von der Greenpeace Gruppe Mannheim, der uns führt, besteht darauf, daß Mannheim auch positive Attribute in unserem Tagebuch erhält.) Der gut 60 cm breite Radweg führt uns über und unter Autobahnen, vorbei an Schrottplätzen und Chemiefabriken. Einmal endet der Radweg an einer Treppe und wir müssen die Räder und Anhänger runtertragen, weil das am Ende der einzigen Neckarbrücke in der Umgebung ist. Aber es kommt noch schlimmer.

Wir wählen den Radweg am Rheinufer entlang, auf der gegenüberliegenden Seite stinkt die BASF zu uns rüber.Nach 10 Kilometern stehen wir vor einem freundlichen Schild, das uns darauf hinweist, daß die Fähre ab Mitte März wieder verkehrt. Wir beschließen, nicht solange warten zu wollen und nehmen einem Feldweg zur Brücke, die wir in einiger Entfernung sehen. Der Feldweg erweist sich als Sackgasse. Für uns bedeutet das 10 Kilometer Umweg um eine der malerischen Chemiefabriken. Ich habe Kopfweh, andere auch. Aber es kommt noch schlimmer.

Nach der Brücke erreichen wir den Wohnort der Apathischen. Es ist unglaublich, wir stehen mit unseren Rädern auf einem Gehweg und die Leute drücken sich an uns vorbei, ohne uns auch nur flüchtig zu bemerken. Der Chrischdian stellt sich auf eine Verkehrsinsel und schreit: "Wir gehen jetzt in eine Bank und rauben sie aus!". Niemand nimmt auch nur Notitz von ihm. Wir verlassen dieses trostlose Dorf und fahren weiter am Rhein entlang. Aber es kommt noch schlimmer. Sowas hab ich noch nie gesehen. Das ist der ULTIMATIVE RADWEG!!! Wir erreichen die Autobahnbrücke nach Worms, auf unserer Radwegekarte ist dort ein Radweg über den Rhein eingezeichnet. Der existiert auch, auf dem Mittelstreifen der Autobahn!!! In einem Brückenpfeiler müssen wir Räder und Hänger nach oben tragen, dann stehen wir zwischen den Fahrspuren. Ein 3m breiter Weg, von der Autobahn durch eine kniehohe Mauer getrennt... ein klasse Gefühl, wenn dir die Autos mit 180 entgegenrasen. Nach der Brücke wieder absatteln und alles über die Treppen wieder runter. Schlimmer gehts nicht. In Worms treffen wir die Floßcrew und gehen gemütlich Kaffeetrinken. Auch die Flößer haben ihre Geschichten, erzählen von Chemiegerüchen, waghalsigen Manövern bei starkem Schiffsverkehr und Gegenwind. Wir sind spät dran, wir tauschen die Räder gegen das Floß und stechen in Fluß. Wir beeilen uns, weil es zunehmend dunkler wird und wir keine Beleuchtung haben. Im letzten Licht des Tages erreichen wir Rheindürkheim, wo wir festmachen. Ein alter Rheinschiffer erwartet uns und weiß alles besser, vor allem, wie wir das Floß festzumachen haben, wie wir das Anlandemanöver zu fahren haben, wir ignorieren ihn zwar, ärgern uns aber trotzdem über die massive Einmischung. Wir lästern noch lange in der Pizzeria, erzählen unsere Anekdoten und fallen todmüde ins Bett.

Tschau, der Stefan A.

 Nur ein kurzer Kommetar von mir (Katharina):
Also, eigentlich wollte ich nach drei Tagen schon wieder fahren, aber es ist so geil, daß ich beschlossen habe, bis zum (bitteren) Ende dazubleiben... Isch das nüscht net?

 holla liebe internetleserinnen, also ich bin nun das zweite mal dabei, und ich muß euch sagen, daß die flossfahrt eine oberaffenscharfe sache ist. und wer uns in bonn bewundern möchte, hat noch bis donnerstag die einzigartige chance mit dem bus der aktionsbündnisse ab freiburg gen bonn zu fahren... mit direktem anschluß nach gorleben. das demo-doppel-packet für anfang märz. menschenherz was willst du mehr.

 Jürn

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Floß-Tour Tagebuch
RHEINDÜRKHEIM - OPENHEIM
9.Tag, 22.Feb. 1997

 Tja, hier hat wohl jemand vergessen, den Text abzuspeichern - ansonsten hätte man hier lesen können, wie man 2 Stunden lang einem Anhängerachsenbruch vorbeugt, wie man mit einem XR-Trecking (unserem Beiboot), einem Händi und viel Mut(h) Floßtramper abholt und wie toll manche Übernachtungsstätten sein können.

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Floß-Tour Tagebuch
OPPENHEIM - MAINZ
10.Tag, 23.Feb. 1997

 "Knurz" ist das erste, was ich an diese Tag zu hören bekomme. Das ist nicht normal, den ich hatte ein 20faches "Pip pip" erwartet. Grund des "Knurz" ist Christian, der sich wohl geradeeben auf den Weg zum Klo gemacht hat. Da ich eh schon gerade wach bin, guck ich mal kurz auf die Uhr und stelle fest: Es ist kurz vor "Pip pip".

Das Frühstück läuft zügig ab, die Floßcrew macht sich auf den Weg. Zügig werden die Anhänger bepackt, Dieter montiert die Filmkamera auf das Tandem und nach diversen Wir-wollen-jetzt-aber-losfahren-Anrufen vom Floß startet selbiges Punkt zehn Uhr. Ich sitze hinten auf einem Tandem. Das ist besonders angenehm, denn da hat man die Hände frei zum Fotografieren und kann sich in aller Gemütsruhe die Landschaft anschauen. Los gehts!

Nach etwa 5km haben wir die Floßfahrer eingeholt feuern sie mit einem kräftigen "Pull, pull" an und fahren weiter. Gegen zwölf Uhr sind wir in Mainz und beginnen unsere in den letzten zwei Tagen entstandene Ausstellung aufzubauen. Eine richtige Ausstellung ist es eigentlich nicht - zwei parallel gespannte Schnüre dazwischen blaue Kartons mit rotem Rahmen auf denen ein paar Texte und etliche Bilder sind, sowohl unserer Floßfahrt als auch der Baumhütten. Auch eine Spendendose haben wir gebastellt und suchen nun nach einem geeigneten Platz. (An dieser Stelle sei für Spendenfreudige auf unser Spendenkonto 242470 bei der Ökobank Freiburg (BLZ 50090100) verwiesen.) Auch die Flaschenpost wird aufgestellt, allerdings erst, nachdem das Floß angekommen ist. (Vorher war die Falschenpost ja leider nicht da.)

Christian spielt Gitarre und singt dazu, Lu und ich machen Akrobatik, und dann kommt der Auftritt von Nordisch!!! Das heißt, zuerst kommen ein paar Nachwuchsmanager mit Karawatte und Frack, nehmen von unserer "Ausstellung" notiz und laufen weiter. Jetzt kommt der Auftritt von Hannes: Er springt auf und spricht die Herren in gekonntem Neutechnologie-Museum-Vorführton an: "Und hier sehen sie ein Tandem! Das besondere an einem Tandem, ..." Nordisch erzählt noch etliches über die Vorteile vom Tandems. Dann fragt einer der Herren, was das Ganze mit Demokratie zu tun habe und Hannes ist nicht verlegen: "Vorne wird gelenkt und hinten wird getreten!" Das scheint für die jungen Herren eine neue Erkenntnis zu sein, mit zustimmendem Kopfnicken verschwinden sie wieder.

Abends gibt es noch einen Diavortrag zu der Baumbesetzung; mich überkommt - wie jedesmal, wenn ich daran zurückdenke - ein trauriges Gefühl.

 Berni

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Floß-Tour Tagebuch
MAINZ - BINGEN
11.Tag, 24.Feb. 1997

 Graue Wolken am Himmel, stärkere Böen und selbst der Rhein scheint noch in unausgeschlafenen Farbtönen eingewickelt, so trifft die Floßcrew den heutigen Montag, nachdem sie die Nacht das erste Mal getrennt bei Mainzer GP's ... eine Abkürzung, die ich erst auf dieser Floßtour kennenlernte und in mein Umweltwiderstandswortschatz eingespeichert habe - man will naturpolitisch mithatlen können - verbracht haben.

Das Floß wird zum Pegelmeßturm MAINZ gefahren, um dort vom Umweltdezernenten und manigfaltiger Presse verabschiedet zu werden. Da der Umweltdezernent, der ganz zufällig seine Geldbörse nicht dabei hatte und selbst auf Pump nicht spenden wollte, obwohl sich geliehenes Geld bekanntlicherweise am lockerstem ausgeben läßt, die Gemütlichkeit trotz der ungemütlichen Umweltbedingungen gepachtet zu haben schien und der Photomensch auch nicht gerade der pünklichste war, vergnügt sich die Mannschaft mit einem aus giebigen Frühstück auf dem Anlegekai ... es ist immer wieder erstaunlich, daß das Floß immer noch den gleichen Tiefgang wie am Anfang hat, obwohl die Crew bei jeder Gelegenheit Brote, Marmelade und Süßwaren konsumiert, als ob der Hungertod direkt bevorsteht.

Die Etappe an und für sich verläuft ziemlich reibungslos. Eine gute, rudermotivierte und konditionell absolut starke Mannschaft (völlig subjektive Darstellung) macht den Anfang der Tour und die Tatsache, daß diese Crew bis Bingen durchgepaddelt hätte, zeigt in uneingeschränkter Weise, daß wir einfach die Größten sind. Der einzige kleine aber doch erwähnenswerte Vorfall ist der Auffahrunfall von Dieter, der dazu führte, daß die Fahrtüchtigkeit des sowieso schon geschwächten Tandems enorm verrinngert wurde. Unterkunft finden wir in Bingen wiedereinmal in einer leerstehenden Wohnung, die gemeinsames Kochen und ein ausführliches Plenum ermöglichen, das angeschichts der bevorstehenden harten Etappe ... Stichwort "Binger Loch", wo jeder erfahrene Rheinfahrer eine leichte Anstrengung im Gesicht zeigt und vor der Befahrung warnt... auch wichtig ist. Die letzte Woche der Tour ist angebrochen, der Auftritt in Bonn und die hoffentlich bevorstehende Konfrontation mit Herrn Matthias Wissmann rücken in greifbare Nähe, so ist es vielleicht angebracht, die schönen Stunden zu genießen, so lange sie noch zu spüren sind und der unweigerlich kommende Alltag sich hinter dem Morgengrauen verbirgt.

Apropos: Die Mannschaft ist teilweise weiblich.

 Nordisch

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Floß-Tour Tagebuch
BINGEN - LAHNSTEIN
12.Tag, 25.Feb. 1997

 Stefan hockt auf dem Tisch und hört auf dem Walkman "Kraftwerk" - Wir fahrn fahrn fahrn auf der Autobahn - klassisch. Nordish - unser Hamburger Krankengymnast - erzählt Anekdoten über seine Zeit als Zivi - Es ist später Abend, einer der anstrengendsten Tage der Tour neigt sich dem Ende zu. Heute ging es durch die landschaftlich wohl reizvollste Gegend entlang des Rheins - obwohl blonde Jungfrauen oberhalb eines gleichnamigen Felsens leider nicht mehr anzutreffen sind - genausowenig wie Bäckereien in einem Dorf, in dem es sage und schreibe vier Kneipen gibt. Die Zuckersüchtigen unter uns kommen trotzdem auf ihre Kosten - mittlerweile werden die Entfernungen nicht mehr in Kilometer gemesen, sondern in Tafeln Schokolade! Diese Etappe war mit 12 Tafeln (55 km) bisher die längste, auch wenn das nicht nach viel klingt - es ist was anderes, mit schwer beladenen Fahrradanhängern durch die Gegend zu fahren als mit einem leichten Rennrad.

Im berüchtigten "Binger Loch" wurde das Floß von gleich drei WBB (Wasserbüffelbooten) eskortiert - nachdem der Start enorm schwer viel - aber darüber breiten wir den Mantel des Schweigens.

Zur Hälfte der Strecke hatte die "Esperanza" Schlagseite, was wider Erwarten nicht mit dem exorbitanten Schokiverbrauch der Backbordseite zu tun hatte, sondern damit, daß einer der Schwimmpontons Luft verlor. Nr.5 wurde mit mittlerweile gnadenloser Routine montiert; die Crew gewechselt und dann gings wieder ab.

Nach dem gestrigen Paddelmarathon, ich saß insgesamt etwa 6 Std. auf dem Floß, habe ich mich heute entschlossen, nur Rad zu fahren. Besser gesagt, die anderen haben sich entschlossen Floß zu fahren, so daß mir der Fahrradspass blieb. Auf der Radtour gab es eigentlich wenig spannenendes, außer vielleicht die Erfahrung, daß Schilder auf denen höchst amtlich und eindringlich und durch heftige Absperrungen untermauert, zu lesen stand, daß gewisse Wege nicht zu befahren sind, einfach ignoriert werden dürfen. Der Rheinuferradweg war auf über 6 km gesperrt - wir haben ihn dennoch benutzt und außer einigen ungemeingefährlichen quer über den Weg liegenden Zweigchen war kein Grund für den Schilderwald zu erkennen. Vielleicht zieht Verkehrsminister Wissmann jetzt alle Register um uns aufzuhalten. Aber unser Wille ist ungebrochen, unsere Richtung unveränderbar und unser Ziel unverrückbar: Wir werden ihn zum Fair Trade Kaffee einladen und überzeugen, daß die RadfahrerInnen Freiburgs für 400 Mio. DM Ideen haben, die die B31 völlig überflüssig erscheinen lassen. Man könnte davon vielleicht auch ein paar Schwimmpontons oder Bojen kaufen oder so...

Gute Nacht, Chrischdian

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Floß-Tour Tagebuch
LAHNSTEIN - REMAGEN
13.Tag, 26.Feb. 1997

 Bis jetzt existiert dieser Text nur auf dem Papier, aber wenn ich ihn in die Finger bekomme, wird er gnadenlos abgetippt!

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Floß-Tour Tagebuch
REMAGEN - BONN
14.Tag, 27.Feb. 1997

 Nach einem gemütlichen Früstück - ich habe 7 Brote und ein Laugenweckle verdrückt - machen wir uns auf zum Floß: "Ups!" das Wasser ist in der Nacht mindestens einen Meter gestiegen, daß Floß, welches wir gestern abend, unter dem Objektiv einer Kamera, vollständig an Land gezogen hatten liegt im Wasser. Ebenso die beiden Seile, an denen das Floß festgebunden ist. Zum Glück haben wir Leute mit wasserfesten Schuhen dabei.

Das XR-Trecking wird heute alleine fahren, mit dem Filmteam an Board. Es geht los und das XR-Trecking faehrt hinterher, allerdings ohne Besatzung! Habe ich da mal wieder etwas falsch verstanden? Egal! Wir sehen einen Haifisch (oder war es vielleicht doch nur ein durch das Hochwasser herbeigespülter Baumstamm?) und wollen einen Wasserelefanten entern. Ein Journalist, der heute morgen auch an Bord ist, hilft uns dabei. Dafür muß Katharina mehrere male in sein Mikro sagen, da&ss wir mit dem Floß auf dem Radweg fahren, was garnicht stimmt!

Und schon sind wir bei der Zwischenstation. Wir machen fast zwei Stunden Pause - die Zeit dafür haben wir, die Etappe ist extrem kurz, wir sind ja schon fast in Bonn! In dieser Zeit versucht unser Elektroingenieur die Kamera der Filmleute zu reparieren, zwecklos!

Zum Glück hat Dieter noch eine kleine Videokamera dabei, damit macht sich einer der Filmteamleute im XR-Trecking hinter uns her, diesmal wirklich! Und - Schwuppdiwupp - sind wir auch schon in Bonn! Wir legen in der Nähe des ehemaligen Gartenschauzentrums an, d.h. wir machen an einem Geländer fest, welches mitten im Wasser ist - 15 Sekunden Pause - am Ufer tauchen Landbüffel auf und fragen uns, was wir vorhaben. "Der Bundestag ist doch auch unter Wasser und wir werden also morgen dorthin fahren!!!" - "Ihr kennt die Bannmeile?" - "Ein Rechtsanwalt hat uns mitgeteilt, daß die Bannmeile nur gilt, wenn man auf dem Boden steht." - "Auf dem Rhein gilt die Bannmeile auch!"... So geht es eine Weile weiter. Wir haben eigentlich garnichts vor, aber wenn sich die Gelegenheit ergibt, sich mit einem Polizisten aus Bonn zu unterhalten...

Unser Händi meldet uns, daß wir weiterfahren können! Wir legen an - wir haben es geschafft! Wir sind in Bonn! Erleichterung! "Ich hätte es nie geglaubt!" sagt irgendwer! Umarmungen!

Am Abend soll es ein Abendessen bei den Grünen geben. Ich bin gespannt. Wir fahren mit der U-Bahn, wozu wir zusammenlegen mußten, denn der dämliche Automat wollte nur Münzen, und wer hat schon 33DM in M&unzen bei sich? (Das ist übrigens das Geld, welches man für 15 Tageskarten zahlen muß - der Preis ist lobenswert!).

Ankunft bei den Grünen. Das Essen ist etwas mager ausgefallen - Käse- und Wurst!wecken. Alles ist in sehr kurzer Zeit razeputz weg!

Gila Altmann, die Verkehrspolitische Sprecherin der Grünen begrüßt uns und fragt, wer oder was denn die böhmschen Dörfer seien. Wie immer, wenn ich das gefragt werde, komme ich ins Grübeln. Was sind wir eigentlich? Ein Aktionsbündnis gegen die B31 sind wir nicht, das gibt es nälich schon; eine Horde unsortierter, motivierter Jugendlicher sind wir auch nicht, auch wenn es von aussen manchmal den Eindruck erweckt; 50% UmProWe und 50% GP stimmt auch nicht, es sind auch noch andere Leute beteiligt. Ich komme zu dem Schluß daß wir was ganz neues sind. "Die Böhmschen Dörfer" eben. Ob sich da mal eine große Umweltgruppe draus entwickeln wird? Oder werden wir wieder auseinandergehen, falls die B31 doch gebaut werden sollte? Gila fragt, ob wir uns darüber schon Gedanken gemacht haben. Als Antwort kommt: "Klar! Wir werden weiter zusammenbleiben, und versuchen uns für die Umwelt einzusetzen!"

 Nach dem Treffen bei den Grünen geht es in eine Pizzaria, und dann heim.

 Plenum: Der morgige Tag wird besprochen! Und dann - ab ins Bett, oder besser: ab in des Schlafsack!

 Berni

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Floß-Tour Tagebuch
BONN
letzter Tag, 28.Feb. 1997

 Es ist geschafft. Wir sind in Bonn! Gestern abend noch, hatte uns Gila Altmann von den Grünen zum Abendessen eingeladen. Das war eher dürftig. Ein paar belegte Brötchen waren schneller weg als man schauen konnte. Dafür gab es heute einen Kuchen in Baumform - sehr lecker. Gila kam aufs Floß und überreichte uns den Kuchen und steckte eine Botschaft für Herrn Wissmann in die Flaschenpost. Insgesamt haben uns sechs Bundestagsabgeordnete empfangen. Aus Freiburg waren 25 Fans angereist, die uns jubelnd empfingen.

Bald machten sich drei Radfahrer auf den Weg zum Verkehrsministerium und überreichten einem Vertreter von Herrn Wissmann unsere Flaschenpost. Er versuchte dann noch, etwas lauwarmes Politikergesülze abzulassen aber wir waren enttäuscht, daß uns Wissmann nicht persönlich empfing und sind bald gegangen. Trotzdem sehen wir unsere Fahrt als vollen Erfolg. Vor allem in vielen Lokalzeitungen und Radios wurde ausführlich über uns berichtet.

Insgesamt hat uns die Fahrt viel Spaß gemacht. Das Wetter war besser als wir es von diesem Jahrhundertwinter erwartet hatten. Wir hoffen nur darauf, daß die für eine Ex-Umwelthauptstadt blamable Vekehrspolitik in Deutschland bekannter geworden ist und einen Gegenpol zur ständigen Jubelberichterstattung des Presseamtes der Stadt Freiburg bildet. Wir hoffen auch, daß andere Gruppen zu ähnlichen spontanen und witzigen Aktionen greifen um die Vekehrswende endlich durchzusetzen.

Widerstand macht Spass!

Tschüß bis zur nächsten Aktion.

 Das Floßteam.

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 BÖHMschE Dörfer GmBh - Gemeinschaft mit Baumhäusern

 Letzte Änderung: 11.August 1997